Freitag, 10. Oktober 2008

Von Affen, Staubsaugern und Wäschetrocknern

[von sönke]

Ie-Chen hat den letzten Freitagabend in der Kneipe "Blackdog" gut überstanden, aber leider musste eine ihrer Kommilitoninnen aufgrund von Visumsproblemen zurück nach Vietnam und darf erst in einem Jahr wieder nach Taiwan einreisen. Daher wurde am Samstag noch einmal ein gemeinsamer KTV-Abend als Abschiedsveranstaltung eingelegt.
Was ist KTV, werdet Ihr Euch fragen: Man mietet sich mit mehreren Leuten ein Separée mit Karaoke-Musikanlage und legt los. Überflüssig zu erwähnen, dass es auch ein Buffet gibt, mit dem man sich die Zeit vertreiben kann, wenn man gerade mal keine schnulzigen chinesischen Popsongs zum Besten geben möchte. Unsere asiatischen Kommilitonen haben letzteres ausgiebig getan, Ie-Chens Lehrer war auch mit von der Partie und ließ sich ebenfalls nicht lange bitten. Wir haben eher mit norddeutscher Zurückhaltung geglänzt, was dem Spaß aber keinen Abbruch getan hat.

Das Wetter hier ist mittlerweile nicht mehr ganz so heiß wie im September, abends kühlt es auf 27 Grad ab, was recht angenehm ist. So sparen wir Strom für die Klimaanlage und können mal die zahlreichen Fenster unserer Wohnung öffnen.
Dadurch hören wir abends immer den vielstimmigen Kanon der Müllmänner, die hier jeden Abend durch die Straßen fahren. Aufgrund des warmen Klimas sammelt die Müllabfuhr nämlich jeden Tag den Müll ein, was eine ziemlich gute Idee ist, denn der Müll lockt natürlich sehr schnell Ungeziefer ins Haus, von der Geruchsentwicklung mal ganz abgesehen. Damit die Leute wissen, dass sie ihren Müll jetzt loswerden können, wird von den Müllwagen eine Melodie in Endlosschleife abgespielt, natürlich in nicht geringer Lautstärke, damit man es im Straßenlärm auch noch hört. Wenn man die Müllautos auf den Straßen sieht, haben sie immer mehrere Motorroller im Schlepptau, die ihre vollen Müllsäcke loswerden wollen.

Oftmals sind es Kleinigkeiten, die uns daran erinnern, dass Deutschland weit weg ist. Heute zum Beispiel überquerte eine Marktfrau lautstark vor sich hin rülpsend die Straße, um Müll zu entsorgen, was bei Ie-Chen und mir für außerordentlich gute Laune sorgte.

Eine weitere bizarre Situation erlebten wir vor zwei Tagen:

Aufgrund der schönen Lage unserer Uni finden sich morgens immer mehrere aus Rentnern bestehende Kleingruppen bei unserem Unigebäude auf dem Berg ein, um gemeinsam das Frühstück mit Meeresblick zu genießen. Als wir unseren Roller an der Uni parkten, saß ein Affe auf einem bereits geparkten Motorroller und begutachtete die Lage. Er ließ sich von uns, die wir nur wenige Zentimeter an ihm vorbeifuhren, nicht weiter aus dem Konzept bringen. Ie-Chen fragte mich noch, ob sie gefährlich seien, was ich verneinte (solange man ihnen nichts tut). Nichtsdestotrotz fauchte der Affe die arme Ie-Chen plötzlich aufs heftigste an, um dann im Gebüsch zu verschwinden. Des Rätsels Lösung war eine versprengte Zweiergruppe der Frühstückskompanie, die angesichts des bösartigen Untiers das einzig richtige taten und eine Pistole(!) zogen, um den Gräueltaten für immer ein Ende zu bereiten. Zum Glück hat der Affe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, und folgerichtige Konsequenzen gezogen.
Die Affen sind ein gern thematisiertes Thema im Unterricht, denn natürlich sind sie nicht unbedingt gefährlich, wenn man ihnen nicht zu nahe kommt, aber sie klauen gerne Essen, was unbeaufsichtigt herumliegt oder auch nur unbeaufsichtigt in der Hand gehalten wird, vorzugsweise von der weiblichen Studentenschaft.
Wahrscheinlich gibt es von dieser Seite weniger Gegenwehr. Plastiktüten, die potentiell mit Nahrung gefüllt sein könnten, gehören selbstverständlich ebenfalls zu den gern genommenen Gastgeschenken. Gerüchten zu Folge wissen die Affen sogar, wie sich die Tür zum Unikiosk öffnen lässt und wie man ins Studentenwohnheim eindringen kann. Es sorgt jedenfalls immer für Stimmung, wenn sich ein Affe in den Baumwipfeln vor den Klassenraumfenstern blicken lässt.

Affe ohne Baumwipfel

Aber nun zu den nächsten Themen des Tages:

Vor zwei Wochen hatten wir uns einen Staubsauger bei Carrefour geholt, wir mussten jedoch feststellen, dass Carrefour die passenden Staubsaugerbeutel nicht vorrätig hatte. Man sicherte uns zu, welche für uns zu bestellen und uns Bescheid zu geben, wenn diese eingetroffen seien. Stattdessen erhielten wir einen Anruf, bei dem uns eine Telefonnummer mitgeteilt wurde. Diese sollten wir wählen, um dann die passenden Staubsaugerbeutel selber zu bestellen. Das war uns zu doof, und wir fuhren zu einer anderen Carrefour Filiale. Dort eingetroffen, stellten wir fest, dass weder unser Staubsauger noch die richtigen Beutel dafür vorrätig waren. Wir konnten also nicht zeigen, für welchen Staubsauger wir Beutel benötigen, mit der Modellbezeichnung konnte das Personal seltsamerweise nichts anfangen. Wir sollten mit dem Staubsauger wiederkommen. Nach altväterlicher taiwanischer Sitte den Karton mit dem Staubsauger auf den Motorroller verfrachtet und losgefahren. Beim Carrefour eingetroffen stieß ich erst einmal auf das Unverständnis des Personals, es gäbe doch so einen tollen wiederverwendbaren Staubsaugerbeutel im Karton. Dass dieser aus irgendeinem Grunde lauter Löcher hat, durch die der ganze Staub wieder entweichen würde, interessierte nicht weiter. Also wurde tapfer weiterhin versucht, die seltsamen Wünsche des exotischen Kunden zu erfüllen, und meine Bestellung über zehn Staubsaugerbeutel wurde freundlich aufgenommen, noch heute wolle man bei der Herstellerfirma in Taipeh anrufen und mich morgen benachrichtigen, wie in meinem Falle weiter zu verfahren wäre... Leider kein Anruf bei mir, Carrefour hat den Staubsauger aber anstandslos zurückgenommen, immerhin.


Unser Wäschetrockner hat leider den Geist aufgegeben. Wir also flugs Jackie angerufen, der unser Ansprechpartner in Sachen Wohnung ist, und gebeten, dem Vermieter Bescheid zu geben, um einen Reparaturtermin zu arrangieren. Der Rückruf kam bald, es könne eigentlich nicht sein, schließlich sei die Waschmaschine erst zwei Jahre alt (könnte hinkommen, aber die ist ja auch nicht kaputt), wir sollten nicht gleichzeitig Waschmaschine und Trockner in Betrieb haben (wie die meisten Menschen waschen wir die Wäsche erst, und packen sie dann in den Trockner). Also noch einmal geklärt, dass nur der Trockner kaputt sei. Der Trockner sei aber zusammen mit der Waschmaschine geliefert worden (sicher, daher wohl auch der ganze Flugrost auf dem alten Teil), vielleicht nur ein Kabel lose (hatte ich schon nachgesehen, Fehlanzeige). Ich habe darauf bestanden, dass der Trockner alt ist, und Jackie musste wieder bei unserem Vermieter anrufen.
Rückruf bei uns: - „Sag mal Sönke, wie ist das eigentlich bei euch in Deutschland, ihr benutzt wahrscheinlich alle Trockner, oder?“ – „Ja, machen wir.“ – „Jaaaah, also hier in Taiwan, weißt Du, da benutzt kein Mensch einen Trockner, wir hängen alle unsere Wäsche einfach zum Trocknen auf, das solltet ihr auch tun. Benutzt den Trockner einfach nicht mehr.“ – „Wir würden den Trockner aber gerne benutzen, schließlich hat er funktioniert und gehört mit zur Wohnung.“ – „Ja, also der Trockner, der ist (auf einmal) mindestens zehn Jahre alt, eine Reparatur lohnt bestimmt gar nicht mehr.“ – „Wir möchten ihn gerne benutzen.“ – „OK, ich frage den Vermieter.“
Einen Augenblick später klingelte wieder das Telefon: Der Vermieter möchte gerne selbst vorbeikommen und sich den Trockner einmal ansehen, Jackie sagt uns Bescheid, wenn er kommen möchte.
Heute bekamen wir einen Anruf, der Vermieter habe geschlagene zwei Stunden auf uns gewartet, warum wir nicht dagewesen seien. – „Wir wussten ja nicht, dass er heute kommen wollte.“ – „Ja, stimmt auch wieder, aber jetzt kann er erstmal nicht mehr vorbeikommen, weil er die Woche über in Taipeh ist, nächste Woche können wir erst wieder einen neuen Termin machen.“ Auf meine Frage, was sich der Vermieter eigentlich genau ansehen wolle, sagte Jackie nur, dieser habe wohl schon öfter mal was repariert. Also stimmten wir einem Termin für nächste Woche zu, woraufhin kurze Zeit später wieder das Telefon klingelte.
Jackie sei gerade in der Gegend und könne mal einen Blick auf das defekte Gerät werfen. Das tat er dann auch, steckte dreimal das Trocknerkabel in die Steckdose, sah, das nichts funktionierte und organisierte uns daraufhin einen Technikertermin für Freitag.
Geht doch! Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!?

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