Mittwoch, 29. Oktober 2008

Ein Wochenende in Taichung

[von izn]

Unsere Quartalszwischenprüfung - oder wie Sönke sagt: Mittsemesterprüfung - ist gut verlaufen, da hat sich das ganze Gepauke also gelohnt. Viel wichtiger ist allerdings, dass auch die Quartalsabschlussprüfung in ca. 4 Wochen genausogut, oder gar noch besser, verläuft, damit wir schön viel Futter für unsere Stipendienbewerbungen haben. Dafür braucht man nämlich ein Abschlussergebnis von mindestens 80 von 100 zu erreichenden Punkten (man könnte auch sagen 80%). Nur zum Einordnen: Unsere Prüfungsergebnisse rangieren im Bereich 84 - 91.

Zur Belohnung ging es letztes Wochenende erneut mit Baba Hsu auf Tour. Diesmal nach Taichung, welches in der Mitte Taiwans liegt.

Dort besichtigten wir u.a. den Sonne-Mond-See, der wirklich sehenswert ist! Türkisgrünes Wasser mit Gebirgskulisse und Schildkröten in freier Wildbahn. Leider war die Sicht nicht so gut, aber man kann erahnen wie es dort an klaren Tagen aussehen mag:


Sehenswert ist auch mal wieder die Angst der Taiwaner vor Wasser, sogar vor Seewasser. Gebadet wird nicht, wo's geht sondern wo's vermeintlich sicher ist:

Man beachte die Wasserrutschen am "Kinderbecken"!

Abends ging es dann ins Dorf Wanggong zum Elternhaus von Baba Hsu, das leider schon seit langer Zeit nicht mehr bewohnt und durch die dort verbliebene Verwandtschaft (Kinder meines Großonkels) eher als Abstellkammer genutzt wird.


Weiter ging's zum Heimattempel gleich um die Ecke, an dem seit ca. 10 - 15 Jahren gebaut wird, der aber noch lange nicht fertig ist, von außen aber bescheidenerweise bereits so aussieht:


Finanziert wird der Bau durch Spenden aus der Bevölkerung, an denen auch die Familie Hsu u.a. mit einem Altar ähnlich folgendem Prunkstückes nicht ganz unbeteiligt gewesen ist. (Das Foto des "richtigen" Altars ist leider nix geworden.)


Baba Hsu verkündete stolz, dass es sich um den größten Mazu-Tempel in Taiwan handele. Mazu ist eine Meeresgöttin, die ob der Eigenschaft Taiwans als Insel, hier besonders verehrt wird.

Nächste nennenswerte Station war dann ein Bekanntenbesuch in Taichung-City. Bei dem Bekannten handelt es sich um einen Nachkommen des im letzten Jahr verstorbenen Familienoberhauptes vom China-Restaurant Shin Shin in Hamburg-Sasel.
Und was macht man in Taiwan, wenn man Besuch bekommt, außer Unmengen von Köstlichkeiten aufzutischen? Richtig! Man fährt zum Grab von Opa Wong, stellt einen Tisch mit Räucherkerzen sowie ein paar Stühle auf und unterhält sich ungezwungen im Antlitz der Urne des Verstorbenen. Das Grab besteht nämlich aus einem Schließfach in einer Art Tempel-Schließfachanlage - so wie am Bahnhof, nur etwas schöner.


Last but not least ging es zu Gugu I., der 1. Schwester meines Vaters, die mit ihren 71 Jahren stolze 13 Jahre älter ist als er und damit auch Älteste der insgesamt 8 Geschwister ist.

Wir kamen dort so gegen 15 Uhr an und störten damit leider ihren Mittagsschlaf, was uns ziemlich unangenehm war. Mein Vater störte es nicht ganz so, er beliebt nämlich nicht vorher mal anzurufen und Besuch anzukündigen... vielleicht ist es aber auch einfach so Sitte in Taiwan, ich weiß es nicht.

Nach einer Millisekunde der Begrüßung stürmte Gugu I. dann auch gleich in die Küche, um uns das von Baba Hsu mitgebrachte Obst als mundgerechte Häppchen zu servieren. Zwischenzeitlich kam einer ihrer Enkel (geschätzte 22 Jahre alt) herein und leistete uns eine Weile Gesellschaft. Nach ca. 1,5 Stunden Geklapper und Gebrutzel aus der Küche, wurden die oben bereits erwähnten Unmengen an Köstlichkeiten aufgefahren und mein Cousin aus dem Bett geholt, der wie wir später erfuhren Berufsschlagzeuger ist und abends bzw. nachts arbeitet.

Kaum wach, verschwand er gleich zum nächsten Straßenmarkt um dort frische Gambas und Krebse zu besorgen, die uns als 3. Gang kredenzt wurden - unwichtig, dass wir bereits schon nach dem 1. Gang Obst satt waren.

Als dann auch noch der zwischenzeitlich dazugestoßene Freund meines Cousins verschwand, um mit irgendeinem toten Federvieh wieder zu erscheinen und direktamente den Weg in die Küche zu suchen, wurde uns Angst und Bange, aber wir hatten uns umsonst Sorgen gemacht, die Ente, Pute oder Gans war zum Glück nicht für uns gedacht, bzw. wir sind wohl nicht lange genug geblieben.

Danach hab ich den Überblick über die Personen verloren die noch kamen und gingen und wieder kamen und wieder gingen. Mit 5 Cousins/Cousinen komm ich ja noch gerade eben klar - ok, es ist schon etwas verwirrend, dass die alle in etwa so alt sind wie mein Vater, aber na gut - aber dann gab's da auch noch die Ehepartner, Kinder und Freunde... Es ging zu wie im Taubenschlag. Gugu I. schien den Trubel zu genießen, offenbar geht es dort jedes Wochenende so zu, so dass wir auch gleich aufgefordert wurden, nächstes Wochenende wiederzukommen.

Hier gibt's mehr Fotos vom Wochenende

Dienstag, 28. Oktober 2008

Oktoberfest ist überall

[von Sönke]

Am 17.10. wurde an einer Universität Kaohsiungs, die auch ein Deutschstudium anbietet, deutsches Kulturgut gepflegt: Es wurde ein zünftiges Oktoberfest gefeiert.


Natürlich wollten wir mit von der Partie sein und sind hingefahren. Das deutsche Bier (Krombacher) war allerdings schon nach einer halben Stunde aus, so dass der Vorrat an Taiwan Bier angegangen werden musste, der immerhin zwei Stunden halten sollte.
Für das obligatorische Bier-Wetttrinken war wohlweislich ein Vorrat auf die Seite geschafft worden, so dass dieser Programmpunkt glücklicherweise noch stattfinden konnte.


Für Stimmung war also gesorgt, als zu heimatlichen Klängen („Ro – Sa - Mundäää!“) diverse schwofende taiwanische Studenten und Studentinnen in Lederhose und Dindl das Parkett stürmten, um dem Auditorium lebendig vor Augen zu führen, was man unter einem waschechten Schuhplattler versteht.

Hierfür gab es dann folgerichtig auch heftigen Szenenapplaus.
Izn und ich waren hellauf begeistert, dass hier das gute alte Volksgut noch so lebendig ist und noch nicht wie an so vielen anderen Orten der Heimat zur bloßen Folklore verkommen ist.
Ich wurde auserkoren, von einem Studenten auf Deutsch interviewt zu werden (ob ich aus Deutschland sei, wie mir Taiwan gefällt etc.). Nach getaner Arbeit ging er hochzufrieden seiner Wege, denn er hatte jetzt wohl sein Kursprojekt vollendet und genügend deutsche Muttersprachler befragt.

Von letzteren waren einige an diesem denkwürdigen Abend anzutreffen, so dass sich das ein oder andere nette Gespräch ergab und man sich über die Bewältigung eines etwaigen Kulturschocks austauschen konnte. Es bleibt allerdings fraglich, wie ein Kulturschock entstehen kann, wenn man sich so liebevoll um uns kümmert und uns Wurstbuden, Eisbein und Oktoberfest präsentiert. Alles halb so wild also…

Nur gut, dass zumindest der hiesige Straßenverkehr auf dem täglichen Weg zur Uni und zurück für ein wenig Exotik sorgt.
Am Sonntagmorgen ging es dann zum von langer Hand geplanten Frühstück bei Ikea, welches leider keineswegs ein wie von uns vermutetes all-you-can-eat Frühstück ist. Trotzdem relativ preisgünstig und mit gutem Kaffee, was auch die Taiwaner zu schätzen wissen und für ein volles Haus zu zeitiger Stunde sorgen.
Zur Entspannung ging es dann an den Lotussee am Stadtrand von Kaohsiung.

Dies ist in der Tat ein netter Ort, um ein wenig Zeit dort zu verbringen, es gibt diverse Tempel

sowie einige in den See gebaute Pagoden zu bewundern, weiterhin kann man den Kindern beim Koi-Karpfen füttern zusehen und dabei den bezirzenden Karaoke-Klängen der örtlichen nicht mehr ganz taufrischen Gesangshoffnungen lauschen.

Überflüssig zu erwähnen, dass man an jeder Ecke gegen ein kleines Entgelt zuvorkommend mit Speis, Trank und allen möglichen und unmöglichen anderen Dingen versorgt wird, damit nach so vielen immateriellen Genüssen auch das leibliche Wohl nicht vernachlässigt wird, schließlich geht es hier um die Harmonie von Körper, Geist und Seele.
Derartig ganzheitlich wieder hergestellt, konnten wir ganz entspannt nach Hause scootern und weiter den Geist schulen, denn am folgenden Dienstag sollten wir die Mittsemesterprüfung schreiben.



Dienstag, 14. Oktober 2008

Wer hat die Kokosnuss geklaut?

[von Sönke]

Nachdem Ie-Chen seit dem Shopping-Wochenende stolze Besitzerin eines neuen Affen-T-Shirts ist,


kam heute mal ein echtes Exemplar an der Hochschule auf ein zweites Frühstück vorbei.


Dieser Affe hatte eine Tüte mit zwei gefüllten Hefeklößen ergattern können. Ich habe leider weder mitbekommen, wer der edle Spender (oder die Spenderin) war, noch, ob die Eisteedose ebenfalls zum Beutegut gehörte.

Er ließ sich nicht weiter von den vielen Studenten stören, die sich eingefunden hatten, um ihm beim Imbiss zuzusehen. Solange man nicht die Demarkationslinie von ca. zwei Metern Sicherheutsabstand verletzte, war alles im grünen Bereich.

Ein Student wurde jedoch allzu unvorsichtig, woraufhin der Affe ziemlich sauer wurde und deutlich machte, dass er auf keinen Fall als Kuscheltier angesehen werden möchte.
Die Affen hier sind zwar nicht unbedingt sehr groß, aber dafür sehr schnell und zeigen bei Bedarf gerne mal ihre kräftigen Zähne, so dass weitere Annährungsversuche menschlicherseits wirkungsvoll unterbunden werden können.
Nachdem der evolutionär weiterentwickelten Spezies mitgeteilt wurde, dass sie sich nicht zu viel auf den aufrechten Gang einbilden sollte, ging es weiter mit der Tagesordnung.


Man kann hier sehen, dass der Affe nur die Füllung des Hefekloßes herausgelutscht hatte, der Teig wird gerade mit der linken Hand auf dem Boden geworfen.

Danach wurde in aller Ruhe das nächste Stück ausgelutscht, auch die Affen genießen das gute Essen in Taiwan.

Ich bin jedenfalls ein Fan dieser Tiere, ich hoffe allerdings, dass ich nicht selbst einmal Opfer einer ihrer Klauattacken werde.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Verlängertes Wochenende in Kaohsiung

[von izn]

Der 10. Oktober ist Taiwans Nationalfeiertag, der dieses Jahr praktischerweise auf einen Freitag gefallen ist und uns daher ein schönes verlängertes Wochenende beschert. Der eigentlich geplante Ausflug mit Baba Hsu nach Taichung und Changhua, um den weiblichen Teil der väterlichen Verwandtschaft kennenzulernen, ist auf nächstes Wochenende verschoben worden, so dass wir genug Zeit hatten, mal innerhalb Kaohsiungs herumzuscootern.

Bei den Temperaturen hier kann es nicht schaden, wenn man das ein oder andere T-Shirt mehr im Sortiment hat, dachte ich mir. Donnerstag gegen Abend ging es deshalb los zum Shoppen.

Neben Computerstraße, Möbelstraße, Blumenstraße und Schuhstraße (Aufzählung nicht abschließend), gibt es hier natürlich auch für Klamotten einen speziellen Straßenzug, indem sich Fachgeschäft an Fachgeschäft reiht. Naja, „Fachgeschäft“ ist relativ. Von Regalen und sortierter Präsentation hat man hier wohl noch nicht viel gehört. Macht nix, weil das freundliche Personal , gern auch mit 2 oder 3 Mann, bei der Suche behilflich ist.

An Auswahl mangelte es nicht… für irgendwen, der auf kitschige, pailletenbesetzte Glitzerteile steht oder auf Gardinenrecyclingware. Für uns war jedenfalls nicht so viel Spannendes dabei, und wenn doch mal das ein oder andere Teil unser Interesse geweckt hatte, mangelte es an der passenden Größe… wenn man hier nicht in S oder XS reinpasst, muss man halt weitersuchen. Ach ja, und dann gibt es noch die ominöse Größe F… wo diese einzuordnen ist, bleibt uns bislang verborgen, kann mir aber auch Föllig egal sein, weil ebenfalls nicht passend.

Mit hängenden Schultern sattelten wir wieder unsere geschätzten 10 Pferde und Sönke versuchte in der Schuhstraße sein Glück. Seine Schuhgröße 43 war dort zwar das höchste der Gefühle, aber immerhin vorhanden, so dass er diesmal einen Sieg davontragen konnte. Als Prämie gab’s neue Latschen, in denen er sich gleich am nächsten Tag den Fuß aufschupperte… Naja, irgendwas ist ja immer.

Der Abend war noch jung und so zog es uns weiter, die Umgebung zu erkunden. Wir begaben uns etwas weiter hinaus ins Industriegebiet zur Mutter aller Einkaufszentren, der Dream Mall!!!

12 Stockwerke Erlebnisshopping inklusive Fitnessstudio und Kino. Das große Rad auf dem Dach ist übrigens keine bloße Leuchtreklame sondern tatsächlich ein Riesenrad! Kernstück des auf dem Dach befindlichen kleinen, aber feinen Vergnügungsparkes mit eigenem Maskottchen

Sönke mit 2 Maskottchen und 2 unbekannten Xiăopéngyǒus (kleinen Freunden).
Man beachte auch das deutsche Kulturgut im Hintergrund!

Rezept für ein gutes Einkaufszentrum:

Man nehme ein mind. 10 stöckiges Gebäude, stopfe ca. 50 % der Verkaufsfläche mit Designerläden aus aller Welt voll (also markenfetischistischer als hier geht’s kaum) und verteile auf der restlichen Verkaufsfläche alles, was ein normales EKZ deutschen Standardes noch so bietet. Desweiteren halte man 1 Etage für Supermarkt, Snacks, Süß- und Backwaren, mind. 1 Etage Warme-Küche-Fressmeile und mind. 1 Etage Kinderwunderland mit Dattelautomaten und kleinen Fahrgeschäften bereit. Und wenn es ein Prämium-EKZ sein soll, darf neben dem Kinderwunderland natürlich der Vergnügungspark auf dem Dach nicht fehlen. Wer glaubt von diesen EKZen gäbe es hier nur 1 oder 2 der hat sich geschnitten… eins ganz hier in der Nähe von uns hat sogar seinen eigenen direkten MRT –Zugang (der fleißige Leser wird wissen, dass es sich bei der MRT um die Kaohsiunger U-Bahn handelt)... tock, tock, tock, die spinnen, die Taiwaner!

Am nächsten Tag, dem Nationalfeiertag, stellten wir fest, dass die Geschäftswelt offenbar keinen Feiertag einlegt. Sämtliche Geschäfte hatten, wie an jedem anderen Tag auch, geöffnet. Man kann hier nämlich jeden Tag, auch am Wochenende, bis mindestens 22:00 Uhr einkaufen. Einige Supermärkte haben sogar rund um die Uhr geöffnet, oder um es auf taiwanisch auszudrücken:









Morgens: 08:00 – 17:00
Mittags:
---
Abends:
17:00 – 23:00
Nachts:
23:00 – 08:00

???




Mehr oder minder zufällig stießen wir auf eine modernere Einkaufsstraße, die tatsächlich als Fußgänger-Zone gewidmet ist. Eigentlich werden hier Fußgänger-Zonen ja nur anerkannt, wenn man mit dem Moped durchfahren kann. Überraschenderweise hielt es sich hier aber tatsächlich in Grenzen, so dass man gemütlich durch die Gassen schlendern konnte. Erfreulicherweise ähnelten die Klamottengeschäfte hier schon eher dem westeuropäischen Standard, was die Präsentation anging. Sommerschlussverkauf bei 30°C ist allerdings immer noch etwas sehr befremdlich.


Am Samstagmorgen wollten wir mal das All-You-Can-Eat Frühstück für 39 NTD (derzeit ca. 0,90 €) vom hiesigen IKEA ausprobieren.

Wir kamen jedoch um 11 Uhr leider bereits 30 Minuten zu spät für das Vergnügen. Auf der Mittagsspeisekarte stand neben den obligatorischen Köttbullar u.a. auch das typisch schwedische Gericht Schweinshaxe mit Sauerkraut… aber IKEA schmückt sich nicht mit fremden Federn. Nein, nein, das Gericht war ordnungsgemäß als Dégúo Zhūjiăo (deutsches Schweinebein) – welches hier offenbar gerne in der ein oder anderen Lokalität in die Speisekarte aufgenommen wird – ausgezeichnet.

Da ich gehört hatte, dass in Asien angeblich die Köttbullar anders gewürzt sein sollen, um sie dem asiatischen Gaumen bekömmlicher zu machen, gönnten wir uns neugierigerweise einen Teller mit 10 Bällchen (oder chinesisch: Körnchen). Geschmacklich konnten wir keine Veränderung feststellen, also aufgeräumt mit dem Gerücht. Schmeckt wie zu Hause (in Schweden ;o)

Dort wo Billy, Pöang & Co. zu Hause sind, darf natürlich die Marabou-Schokolade nicht fehlen, juchuuu!!! Die Hotdogs waren allerdings enttäuschend, man hat sich nämlich vergeblich nach Remoulade, Gurken und gerösteten Zwiebeln umgeschaut… es gab nur Ketchup und Senf, bäh!

Hier gibt’s den aktuellen Ikea-Katalog auf chinesisch, hihi :o)


Ach ja, und Winniepuh und seine Freunde haben wir auch getroffen:

Sönkesuchbild

Mehr Bilder vom Wochenende gibt's hier.

Freitag, 10. Oktober 2008

Von Affen, Staubsaugern und Wäschetrocknern

[von sönke]

Ie-Chen hat den letzten Freitagabend in der Kneipe "Blackdog" gut überstanden, aber leider musste eine ihrer Kommilitoninnen aufgrund von Visumsproblemen zurück nach Vietnam und darf erst in einem Jahr wieder nach Taiwan einreisen. Daher wurde am Samstag noch einmal ein gemeinsamer KTV-Abend als Abschiedsveranstaltung eingelegt.
Was ist KTV, werdet Ihr Euch fragen: Man mietet sich mit mehreren Leuten ein Separée mit Karaoke-Musikanlage und legt los. Überflüssig zu erwähnen, dass es auch ein Buffet gibt, mit dem man sich die Zeit vertreiben kann, wenn man gerade mal keine schnulzigen chinesischen Popsongs zum Besten geben möchte. Unsere asiatischen Kommilitonen haben letzteres ausgiebig getan, Ie-Chens Lehrer war auch mit von der Partie und ließ sich ebenfalls nicht lange bitten. Wir haben eher mit norddeutscher Zurückhaltung geglänzt, was dem Spaß aber keinen Abbruch getan hat.

Das Wetter hier ist mittlerweile nicht mehr ganz so heiß wie im September, abends kühlt es auf 27 Grad ab, was recht angenehm ist. So sparen wir Strom für die Klimaanlage und können mal die zahlreichen Fenster unserer Wohnung öffnen.
Dadurch hören wir abends immer den vielstimmigen Kanon der Müllmänner, die hier jeden Abend durch die Straßen fahren. Aufgrund des warmen Klimas sammelt die Müllabfuhr nämlich jeden Tag den Müll ein, was eine ziemlich gute Idee ist, denn der Müll lockt natürlich sehr schnell Ungeziefer ins Haus, von der Geruchsentwicklung mal ganz abgesehen. Damit die Leute wissen, dass sie ihren Müll jetzt loswerden können, wird von den Müllwagen eine Melodie in Endlosschleife abgespielt, natürlich in nicht geringer Lautstärke, damit man es im Straßenlärm auch noch hört. Wenn man die Müllautos auf den Straßen sieht, haben sie immer mehrere Motorroller im Schlepptau, die ihre vollen Müllsäcke loswerden wollen.

Oftmals sind es Kleinigkeiten, die uns daran erinnern, dass Deutschland weit weg ist. Heute zum Beispiel überquerte eine Marktfrau lautstark vor sich hin rülpsend die Straße, um Müll zu entsorgen, was bei Ie-Chen und mir für außerordentlich gute Laune sorgte.

Eine weitere bizarre Situation erlebten wir vor zwei Tagen:

Aufgrund der schönen Lage unserer Uni finden sich morgens immer mehrere aus Rentnern bestehende Kleingruppen bei unserem Unigebäude auf dem Berg ein, um gemeinsam das Frühstück mit Meeresblick zu genießen. Als wir unseren Roller an der Uni parkten, saß ein Affe auf einem bereits geparkten Motorroller und begutachtete die Lage. Er ließ sich von uns, die wir nur wenige Zentimeter an ihm vorbeifuhren, nicht weiter aus dem Konzept bringen. Ie-Chen fragte mich noch, ob sie gefährlich seien, was ich verneinte (solange man ihnen nichts tut). Nichtsdestotrotz fauchte der Affe die arme Ie-Chen plötzlich aufs heftigste an, um dann im Gebüsch zu verschwinden. Des Rätsels Lösung war eine versprengte Zweiergruppe der Frühstückskompanie, die angesichts des bösartigen Untiers das einzig richtige taten und eine Pistole(!) zogen, um den Gräueltaten für immer ein Ende zu bereiten. Zum Glück hat der Affe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, und folgerichtige Konsequenzen gezogen.
Die Affen sind ein gern thematisiertes Thema im Unterricht, denn natürlich sind sie nicht unbedingt gefährlich, wenn man ihnen nicht zu nahe kommt, aber sie klauen gerne Essen, was unbeaufsichtigt herumliegt oder auch nur unbeaufsichtigt in der Hand gehalten wird, vorzugsweise von der weiblichen Studentenschaft.
Wahrscheinlich gibt es von dieser Seite weniger Gegenwehr. Plastiktüten, die potentiell mit Nahrung gefüllt sein könnten, gehören selbstverständlich ebenfalls zu den gern genommenen Gastgeschenken. Gerüchten zu Folge wissen die Affen sogar, wie sich die Tür zum Unikiosk öffnen lässt und wie man ins Studentenwohnheim eindringen kann. Es sorgt jedenfalls immer für Stimmung, wenn sich ein Affe in den Baumwipfeln vor den Klassenraumfenstern blicken lässt.

Affe ohne Baumwipfel

Aber nun zu den nächsten Themen des Tages:

Vor zwei Wochen hatten wir uns einen Staubsauger bei Carrefour geholt, wir mussten jedoch feststellen, dass Carrefour die passenden Staubsaugerbeutel nicht vorrätig hatte. Man sicherte uns zu, welche für uns zu bestellen und uns Bescheid zu geben, wenn diese eingetroffen seien. Stattdessen erhielten wir einen Anruf, bei dem uns eine Telefonnummer mitgeteilt wurde. Diese sollten wir wählen, um dann die passenden Staubsaugerbeutel selber zu bestellen. Das war uns zu doof, und wir fuhren zu einer anderen Carrefour Filiale. Dort eingetroffen, stellten wir fest, dass weder unser Staubsauger noch die richtigen Beutel dafür vorrätig waren. Wir konnten also nicht zeigen, für welchen Staubsauger wir Beutel benötigen, mit der Modellbezeichnung konnte das Personal seltsamerweise nichts anfangen. Wir sollten mit dem Staubsauger wiederkommen. Nach altväterlicher taiwanischer Sitte den Karton mit dem Staubsauger auf den Motorroller verfrachtet und losgefahren. Beim Carrefour eingetroffen stieß ich erst einmal auf das Unverständnis des Personals, es gäbe doch so einen tollen wiederverwendbaren Staubsaugerbeutel im Karton. Dass dieser aus irgendeinem Grunde lauter Löcher hat, durch die der ganze Staub wieder entweichen würde, interessierte nicht weiter. Also wurde tapfer weiterhin versucht, die seltsamen Wünsche des exotischen Kunden zu erfüllen, und meine Bestellung über zehn Staubsaugerbeutel wurde freundlich aufgenommen, noch heute wolle man bei der Herstellerfirma in Taipeh anrufen und mich morgen benachrichtigen, wie in meinem Falle weiter zu verfahren wäre... Leider kein Anruf bei mir, Carrefour hat den Staubsauger aber anstandslos zurückgenommen, immerhin.


Unser Wäschetrockner hat leider den Geist aufgegeben. Wir also flugs Jackie angerufen, der unser Ansprechpartner in Sachen Wohnung ist, und gebeten, dem Vermieter Bescheid zu geben, um einen Reparaturtermin zu arrangieren. Der Rückruf kam bald, es könne eigentlich nicht sein, schließlich sei die Waschmaschine erst zwei Jahre alt (könnte hinkommen, aber die ist ja auch nicht kaputt), wir sollten nicht gleichzeitig Waschmaschine und Trockner in Betrieb haben (wie die meisten Menschen waschen wir die Wäsche erst, und packen sie dann in den Trockner). Also noch einmal geklärt, dass nur der Trockner kaputt sei. Der Trockner sei aber zusammen mit der Waschmaschine geliefert worden (sicher, daher wohl auch der ganze Flugrost auf dem alten Teil), vielleicht nur ein Kabel lose (hatte ich schon nachgesehen, Fehlanzeige). Ich habe darauf bestanden, dass der Trockner alt ist, und Jackie musste wieder bei unserem Vermieter anrufen.
Rückruf bei uns: - „Sag mal Sönke, wie ist das eigentlich bei euch in Deutschland, ihr benutzt wahrscheinlich alle Trockner, oder?“ – „Ja, machen wir.“ – „Jaaaah, also hier in Taiwan, weißt Du, da benutzt kein Mensch einen Trockner, wir hängen alle unsere Wäsche einfach zum Trocknen auf, das solltet ihr auch tun. Benutzt den Trockner einfach nicht mehr.“ – „Wir würden den Trockner aber gerne benutzen, schließlich hat er funktioniert und gehört mit zur Wohnung.“ – „Ja, also der Trockner, der ist (auf einmal) mindestens zehn Jahre alt, eine Reparatur lohnt bestimmt gar nicht mehr.“ – „Wir möchten ihn gerne benutzen.“ – „OK, ich frage den Vermieter.“
Einen Augenblick später klingelte wieder das Telefon: Der Vermieter möchte gerne selbst vorbeikommen und sich den Trockner einmal ansehen, Jackie sagt uns Bescheid, wenn er kommen möchte.
Heute bekamen wir einen Anruf, der Vermieter habe geschlagene zwei Stunden auf uns gewartet, warum wir nicht dagewesen seien. – „Wir wussten ja nicht, dass er heute kommen wollte.“ – „Ja, stimmt auch wieder, aber jetzt kann er erstmal nicht mehr vorbeikommen, weil er die Woche über in Taipeh ist, nächste Woche können wir erst wieder einen neuen Termin machen.“ Auf meine Frage, was sich der Vermieter eigentlich genau ansehen wolle, sagte Jackie nur, dieser habe wohl schon öfter mal was repariert. Also stimmten wir einem Termin für nächste Woche zu, woraufhin kurze Zeit später wieder das Telefon klingelte.
Jackie sei gerade in der Gegend und könne mal einen Blick auf das defekte Gerät werfen. Das tat er dann auch, steckte dreimal das Trocknerkabel in die Steckdose, sah, das nichts funktionierte und organisierte uns daraufhin einen Technikertermin für Freitag.
Geht doch! Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!?

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Was machen wir hier eigentlich?

[von sönke]

Ihr wundert Euch vielleicht, warum die Frequenz der neuen Blogeinträge stagniert. Nun, diese Tatsache hat den einfachen Hintergrund, dass wir lernen müssen. Daher nutze ich diesen Blogeintrag, um etwas über unseren Unialltag hier zu berichten.
Unsere Kurse sind aufgeteilt in 9 Stunden Grammatikkurs und 6 Stunden Konversationskurs pro Woche, letzteren belegen Ie-Chen und ich gemeinsam. Für den Grammatikkurs muss insbesondere Ie-Chen jeden Tag von früh bis spät lernen, da sie einen Kurs höher als meine Wenigkeit belegt und dadurch einiges mehr nacharbeiten muss. Dafür braucht sie nun in meinem Kurs keine Langeweile mehr zu schieben, weil die Lehrerin so langsam und deutlich spricht. Mir gefällt gerade das sehr gut, endlich mal ein Muttersprachler, den ich verstehen kann... Die meisten Leute hier reden nämlich derartig schnell mit mir, dass ich kein Wort verstehe, offenbar wird angenommen, dass man Chinesisch entweder in Perfektion oder überhaupt nicht beherrscht.
Unser Konversationskurs besteht aus einem Franzosen, zwei Japanern sowie uns beiden und unserer stets fröhlichen Lehrerin, Frau Xie. Sie macht ihrem Namen alle Ehre, denn ins Deutsche übersetzt bedeutet ihr Name in etwa soviel wie Danke. Bedanken können wir uns bei ihr nämlich nicht nur für den guten Unterricht, vielmehr haben wir bei ihr eine Art Frühstückskurs gebucht, denn jede Stunde bringt sie uns taiwanische Spezialitäten zum Kosten mit. Letzte Stunde gab es für jeden ein großes erfrischendes Kaltgetränk aus grünem Tee und einer Art Kürbis, dazu bekamen wir eine dönerartige Teigtasche mit Salat und Fleisch serviert. Einzig unser Franzose war nicht so erfreut, da er kulturell bedingt eher auf ein süßes Frühstück abonniert ist, aber wahrscheinlich bekommen wir dann nächste Stunde ein solches als Kontrastprogramm serviert.
Mein Grammatikkurs besteht aus zwei Vietnamesinnen, zwei Japanern, einem Amerikaner, einem Australier, einer Französin, einem tibetischen Mönch, der vom Dalai Lama persönlich beauftragt wurde, Chinesisch zu lernen, mir, und besagter gut zu verstehender Lehrerin, Frau Li (Prunus Domestica, dt.:Pflaume), recht international also das Ganze. Gewundert hat es mich, dass auch der Grammatikkurs den Schwerpunkt auf mündliche Kommunikation legt, in Ie-Chens Kurs hingegen spielt die Beherrschung der Schriftzeichen schon eine wichtigere Rolle. Besser also, ich lege mich jetzt nicht auf die faule Haut, sondern lerne weiter Schriftzeichen, denn das nächste Quartal kommt bestimmt.
In Ie-Chens Grammatikkurs sitzen ein Deutscher (aus Bonn), zwei Japaner, eine Philippinerin, eine Vietnamesin, manchmal noch ein Bolivianer und ein Südafrikaner. Der Bolivianer scheint nicht soviel zu verstehen und kommt vorsichtshalber nur sporadisch. Der Südafrikaner ist offenbar schon seit ein paar Jahren hier und Englischlehrer an der Uni. Also ebenfalls eine bunte Truppe.
In ihrem Kurs sitzen übrigens die beiden Sieger im Dosenbierwettrinken vom letzten Freitag bei der Erstsemesterveranstaltung. Auf Studentenseite 1 Japaner und auf Lehrerseite Herr Shi. Am Freitag will der Kurs abends einen drauf machen... na das kann ja was werden!

Ich bin bisher sehr zufrieden mit meinen Lehrerinnen, der Unterricht wird abwechslungsreich und mit viel Humor gestaltet, auch wenn die Übungen hier öfter mal aus dem Auswendiglernen ganzer Sätze bestehen. Andererseits hat man meiner Meinung nach in vielen Fällen sowieso keine andere Möglichkeit außer Auswendiglernen, denn mit dem Verstehen-wollen der Satzstrukturen komme zumindest ich nicht immer weiter, außerdem kann bis zum Verstehen seeeeehr viel Zeit ins Land gehen...
Die Hausaufgaben sind, wie schon angedeutet, nicht gerade wenig, aber wir haben nichts anderes erwartet. Es bringt tatsächlich Spaß, hier zu lernen. Das warme Wetter und die tolle Lage der Uni am Meer tun ein Übriges.

Desweiteren sind wir seit Montag stolze Besitzer eines 125ccm Yamaha Motorrollers, der uns so einiges an Fahrtzeit sparen hilft. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben wir fast eine Stunde zur Uni gebraucht, mit dem Roller schaffen wir es locker in 25 Minuten. Passt man seine Fahrweise dem Chaosiunger Durchschnitt an, sind auch 20 Minuten drin...
Wir haben sogar eine taiwanische Fahrerlaubnis beim hiesigen Straßenverkehrsamt erhalten, die meisten Ausländer fahren hier jedoch ohne, weil es sowieso keinen wirklich stört. Die Polizei ist hier angeblich nicht daran interessiert, sich mit sprachunkundigen Ausländern herumzuplagen.
Da so selten eine taiwanische Fahrerlaubnis an Ausländer ausgestellt wird, wussten die Mitarbeiter im Amt auch nicht so genau, was zu tun ist, hefteten nur einen Zettel mit Schriftzeichen in unsere internationale Fahrerlaubnis und vergaßen ganz, uns eine Gebühr dafür abzunehmen. Allerdings besitzt diese Fahrerlaubnis nur Gültigkeit bis März 2009, danach müssen wir wohl eine Verlängerung beantragen.
Jedenfalls sind wir jetzt auch für Ausflüge am Wochenende in die nähere Umgebung gerüstet, die wir hoffentlich bald unternehmen werden.