Freitag, 10. April 2009

Ausflug der dritten Art

[von sönke]

So, wie versprochen folgt an dieser Stelle eine kurze Schilderung des jährlich stattfindenden Ausflugs unserer Uniabteilung vor einer Woche.
Teilnehmer waren sowohl Lehrer als auch Schüler, so dass ein Reisebus gefüllt werden konnte. Es sollte nach Meinong und nach Tengjhih gehen, beides ca. eine gute Stunde nördlich von Kaohsiung gelegen. Meinong ist eine Ortschaft, deren Bewohner mehrheitlich der Hakka Volksgruppe angehören, und in deren Kultur man dort einen kleinen Einblick nehmen kann. Tengjhi (oder eigentlich Tengzhi) ist ein Naturschutzgebiet im südlichen Bergland und besteht im Wesentlichen aus Wald, Bergen und Nebel.


Bergwald mit Nebel: Tengjhih


Aber alles der Reihe nach…
Als Abfahrtzeit war morgens 7:50 Uhr angesetzt, so dass wir dann auch pünktlich um 8:30 losfahren konnten, um an der U-Bahnstation die letzte Nachzüglerin, unsere Lehrerin „Tante“ Liu einzusammeln… Wer sie einmal gesehen hat, weiß, wie sie zu ihrem Spitznamen gekommen ist. Später beklagte sie sich bitterlich, denn sie fand heraus, dass die Reiseroute genau an ihrer Haustür vorbei führte, da hätte man sie doch abholen können etc.


Ich hingegen war trotz meiner Müdigkeit frohen Mutes, denn bei unseren Reisen auf dieser schönen Insel habe ich schon oft neidische Blicke auf die diversen taiwanischen Reisegruppen geworfen, die regelmäßig in bunten Reisebussen die Sehenswürdigkeiten Taiwans heimsuchen und dort fröhlich schnatternd und mit Anstecknadelnd gekennzeichnet einander fotografieren und die Souvenirläden zur großen Freude der Inhaber stürmen.
Ei, wie schön wäre es wohl, selbst einmal Teil einer solchen Gesellschaft zu sein, und vor allen Dingen, was passiert eigentlich in so einem heiteren Bus während der Reise? Schlafen alle, wie im Zug oder in der U-Bahn? Sehen sie sich aus dem Fenster die vorbeiziehende Landschaft an? - (unwahrscheinlich) – Oder spielen sie Mahjong? Wenn ja, wie hoch ist der Mindesteinsatz?
Die Antwort auf meine Frage sollte ich, kurz nachdem ich mir vor Aufregung mit der Anstecknadel mein T-Shirt zerrissen hatte, schon bald erhalten.

Ich hätte eigentlich gar nicht lange überlegen müssen, aber offenbar habe ich auch nach über einem halben Jahr Aufenthalt noch kein tieferes Verständnis für die landestypischen Gewohnheiten entwickelt: natürlich wird während der Fahrt Karaoke gesungen. Supi, was kann es am frühen Morgen Schöneres geben, als den süßen Klang der Begleitautomatik einer Karaoke-Maschine? Eine ordentliche Portion Gnadenhall auf das Mikro, und los geht es mit schwülstigen chinesischen Schlagern, ächz…
So richtig in Fahrt kam die Gesellschaft jedoch nicht, so dass einzig Frau Gong, ihres Zeichens Mitarbeiterin in der Verwaltung unserer Uniabteilung, unsere Fahrt mit einzelnen gesungenen Textfragmenten versüßte, die sie von den scheinbar wahllos in die Karaoke-Maschine eingegebenen Titeln noch in Erinnerung bringen konnte. So etwas nenne ich mal konsequent.

So verging die Fahrt wie im Flug, und wir hatten bei unserem ersten 20-minütigem Stopp Zeit, uns in einem frei in der Gegend herumstehenden Souvenirladen auszutoben und unter anderem typische Hakka-Souvenirs wie Plastikgartenzwerge oder neongrüne Spielzeugpistolen in Augenschein zu nehmen. Wer wollte, konnte natürlich auch einfach nur örtliches Kunsthandwerk shoppen.

Quatsch mit Lehrern und Drachenschildkröte: v.l. "kleine Schwester" Hong, "Meister" Shi, Frau XY aus der Verwaltung

Nächste Station waren die 18 Arhat Mountains, spektakulär anzusehende Felsformationen, die durch Erosion entstanden sind. Leider können wir hier keine Bilder zeigen, denn wir hatten unseren Fotoapparat vergessen, und auf den Bildern, die uns unsere Lehrerin zur Verfügung gestellt hat, sind nur Menschen und Essen zu sehen, die Landschaft war wohl nicht fotogen genug...

An den Arhat Mountains bildete sich auch die Vorgehensweise für die Gruppenfotos heraus: Damit auch jeder ein Gruppenfoto auf seiner Kamera erhielt, wurden unserer freundlichen Reiseführerin alle sich im freien Umlauf befindlichen Kameras umgehängt, und es hieß stillstehen und grinsen für die nächsten 10 Minuten, bis auf jeder Kamera ein Gruppenfoto gespeichert war. Dieses Ritual sollte sich zur großen Freude aller Beteiligten noch unzählige Male an vielen verschiedenen Orten wiederholen.


Gruppenbild mit Mönch

Wenn gerade kein Foto mit der gesamten Gruppe ansteht, kann man sich auch prima in kleineren Gruppen fotografieren lassen. Hierbei kann man sich sicher sein, dass sich noch irgendein asiatischer Mitreisender, den man nicht kennt, mit dazugesellt um sich fröhlich grinsend, mit einer Hand das Victory Zeichen formend, für die Ewigkeit digitalisieren zu lassen.
Hier also ein als Dreiergruppe geplantes Motiv:



"3er Gruppenbild" mit Chini, "kleiner Schwester" Hong und Frau Gong, aber wer zum Teufel ist das ganz links?

Es ging weiter nach Tengjhih, und mein Respekt für den Busfahrer wuchs mit jedem Meter, den er das Gefährt die enge Straße den Berg hochquälte. In Taiwan schließt an die Straßenränder nämlich oft übergangslos ein kleiner Wassergraben aus Beton an, in den prima ein Reifen passt, Achsbruch lässt grüßen. Dass nach dem Wassergraben oftmals ein äußerst steiler Abgrund folgt, soll hier der Vollständigkeit halber ebenfalls noch Erwähnung finden, Schädelbasisbruch lässt bei der Gelegenheit auch grüßen.
In 1500 Metern Höhe war die Luft dann schon spürbar kühler, und es wurde zu unserer großen Freude ein reichhaltiges und leckeres Essen aufgefahren.



typisch taiwanische Tafel (juhu, Alliteration!) mit Pappbechern und Plastiktischdecke

Anschließend ging es auf eine kleine Wanderung in den von Nebelschwaden eingehüllten Wald, eine wirklich besondere Atmosphäre mit wohltuender Luft für die großstadtgeplagten Lungen. Aus Sicherheitsgründen fiel der Fußmarsch ein wenig kürzer als geplant aus, denn es wurde immer nebliger, was schlechte Sicht für den Rückweg verhieß, und so gingen wir kein Risiko ein und fuhren bei guter Sicht die Bergstraße wieder hinunter zur letzten Station, einer kleinen traditionellen Gasse in Meinong, in der es Souvenirs und kulinarische Hakka-Spezialitäten zu bestaunen galt. Ich probierte einen Tee mit diversen von uns frisch gemörserten Zutaten wie Sesam, Erdnüssen und roten Bohnen (sehr nahrhaft und durchaus wohlschmeckend) sowie ein typisches Gericht aus Reisnudeln, vor dem ich jedoch gewarnt worden war. Es stellte sich allerdings als durchaus lecker heraus, ich hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Zur Feier des Tages bot mir unser Lehrer Meister Shi noch einen Happen in Essig gekochten Darm an, da konnte ich ja wohl kaum nein sagen. Wertung: kein Kommentar…

Um derlei Erlebnisse bereichert traten wir die Rückfahrt an, und auch Frau Gong hatte diesmal ein Einsehen und schaltete statt der Karaoke Maschine den DVD-Player ein, so dass wir noch in den Genuss einer Filmvorführung kamen. Auch Tante Liu kam zu ihrem Recht, sie wurde zwar nicht bis vor ihre Haustür kutschiert (denn auf der Rückfahrt kamen wir dort nicht vorbei), aber immerhin brauchte sie nicht bis zum Endpunkt mitzufahren, sondern durfte an einer U-Bahn Haltestelle den Bus verlassen.

Auch auf Taiwan erhältlich: lecker Wildschwein!

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